Sich-selbst-sein in ungeahnter Menschlichkeit

Ich durfte während eines Seminars die emotionale Erfahrung machen, dass sich Menschen in ihrer Menschlichkeit auf ihre je eigene Art, sehr ähnlich sind. Dabei möchte ich den Begriff „Menschlichkeit“ hier in einer ganz anderen Art und Weise verwenden. Menschlichkeit im weitesten Sinne bezeichnet „jedes empirisch beobachtbare oder mögliche Verhalten von Menschen“ (siehe Wikipedia). Dem gegenüber bezeichnet Menschlichkeit im engeren Verständnis meist Vorstellungen, wie ein Mensch sein soll oder seiner wahren Natur oder seiner idealen Bestimmung nach sein soll. Unter Menschlichkeit wird definiert, was richtig oder gut ist. Doch die jeweilige Definition bezieht sich dann meist auf eine spezifische Weltanschauung und ist somit nicht auf die Menschheit als Ganzes zu übertragen.

Es gibt eine tiefer liegende Menschlichkeit

Was ich im Rahmen des Seminars für mich – und ich betone, für mich – meine erkannt zu haben, ist eine tiefer liegende Menschlichkeit. Alle Menschen werden mit unterschiedlichsten Anlagen und Fähigkeiten geboren. Sie wachsen in unterschiedlichsten Bedingungen auf und machen höchst unterschiedlichste Erfahrungen. Letztlich entwickeln sich völlig individuelle Persönlichkeiten.

Dennoch: ganz gleich, welche Voraussetzungen jemand mitbringt und unter welchen Bedingungen jemand geboren und aufgewachsen ist, die entstandene Persönlichkeit existiert in einem inneren emotionalen Spannungsfeld – und dies existiert in allen Menschen.

Das emotionalen Spannungsfeld

Für dieses Spannungsfeld möchte ich als Bild einer Klangschale benutzen. In jedem Menschen existiert diese Klangschale. Je nachdem, welche Spannungen im persönlichen Spannungsfeld existieren, verändert sich der wahrnehmbare Ton. Das klingt jetzt irgendwie esoterisch, ist es aber nicht. Wenn ich gerade mit inneren Spannungen zu tun habe, wenn ich mich traurig, wütend, ängstlich, schuldig oder freudig fühle, dann spiegelt sich dies auch im Klang meiner Stimme wieder. Stimmungen haben auch etwas mit Stimme zu tun. Ob mein Spannungsfeld ausgewogen bzw. in Balance ist, oder ob es nicht im Gleichgewicht ist, beeinflusst meine Stimmung und damit meine Stimme. Dabei führen in der Klangschale nicht ausschließlich die aktuellen Gefühle zu Klängen. Vielmehr klingt die Schale auch dann, wenn aktuelle Ereignisse einen Wiederhall in den Spannungsbögen oder auch nur in einem Spannungsbogen erzeugen.

Das Spannungsfeld der Menschlichkeit

Das Spannungsfeld der Menschlichkeit, wie ich es formulieren möchte, besteht aus fünf Spannungsbögen, die sich zwischen folgenden menschlichen Bedürfnissen und der Verletzlichkeit, die sich aus diesen Bedürfnissen ergeben, spannen:

Bedürfnisse Verletzlichkeit durch die Bedürfnisse
Anerkennung/Liebe Ablehnung/Liebesentzug
Weiterentwicklung Entwicklungsbeschränkung
Freiheit Freiheitsbeschränkung
Körperliche Unversehrtheit Körperliche Gewalt
Psychische Unversehrtheit Psychische Gewalt

Für mich bezeichnet Menschlichkeit folglich das emotionale Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen einer Person und ihrer durch diese Bedürfnisse gegebene Verletzlichkeit. Wie ein Netz wirkt das Spannungsfeld dieser Menschlichkeit im Körper eines Menschen und verbindet diesen mit seinem Verstand/Intellektualität und seiner Emotionalität. Die tragende Säule, die alle Spannungsbögen hält, ist die Selbstkritik. Sie erwächst einerseits aus den Emotionen, die sich aus den einzelnen Spannungsbögen ergeben; andererseits wirkt sie auch auf die Spannungsbögen zurück. Gelingt es, alles in entspannte Balance zu bringen, erwächst ein gesundes Selbstwertgefühl. Gelingt es nicht, ist das Selbstwertgefühl angeschlagen und es entstehen Dissonanzen in der Klangschale.

Es scheint mir, so meine Erfahrungen des GIP-1-Seminars, dass Menschen zu einer besonderen Art von Gemeinschaft in der Lage sind. Dies dann, wenn sie einen Zugang zu ihren Spannungsbögen finden bzw. sich diesen emotional öffnen können. Menschen mit emotionaler Offenheit für ihre eigenen Spannungsbögen, scheinen auch eine Offenheit für die Spannungsbögen bei anderen Menschen zu entwickeln. Es scheint mir wie: „Wenn ich so sein kann, wie ich bin, kann ich dich auch so sein lassen, wie du bist.“ Wenn alle einer Gemeinschaft so denken und, was viel wichtiger erscheint, so fühlen, dann scheint ein Wir-Gefühl möglich, welches sehr verbindend ist. Eine Gemeinschaft auf Basis gegenseitigen Verständnisses für das jeweilige Sich-selbst-sein ist in der Lage alle als wertvollen Bestandteil der Gemeinschaft anzuerkennen und zu integrieren.

Ich kann das GIP-1-Seminar von ganzem Herzen empfehlen – hier geht es zur Info!


Sich selbst im Wir neu erleben

Welch besonderes Erlebnis. Ich durfte mich im Wir neu erleben!
Ich empfand es schon sehr faszinierend, was ich in einer Woche an und in mir entdecken und erleben konnte. Dies zusammen mit mir gänzlich fremden Menschen bzw. vielleicht gerade dadurch. Einerseits war es wie ein eintauchen in eine mir völlig unbekannte Dimension von „Wir als Gemeinschaft“. Andererseits war es wie ein herantasten an geahnte aber weitestgehend unantastbare Dimensionen meiner Persönlichkeit. Letztlich war es, wie ich es für mich formulieren möchte, ein „Sich selbst im Wir neu erleben“.

Gemeinschaft bilden – Wir neu erleben!

Ich habe schon öfter Seminare besucht und auch selbst schon einige geleitet. Dabei habe ich auch schon erlebt, wie Teilnehmende sich zu einer Gemeinschaft fanden und am Ende traurig waren, sich voneinander verabschieden zu müssen. Dennoch war die Offenheit und Nähe, die während der GIP-1-Seminartage und dem anschließenden Wir-Prozess in „Schloss Tempelhof“ entstanden, von besonderer Qualität.

Zwanzig Menschen, die sich überhaupt nicht kannten, überließen sich ab Montag 15 Uhr einem Gemeinschafts-Intensiv-Prozess (GIP 1). Dieser fand am Freitag um 13 Uhr sein Ende. Doch das Seminar war noch nicht gänzlich beendet. Am Freitagabend begann mit zehn weiteren Teilnehmenden die Phase des Wir-Prozesses. Ein interessanter „Bruch“, der durch zehn hinzugekommenen fremden Personen zu weiteren erstaunlichen Einsichten führte.

Nicht nur verstehen, sondern „verfühlen“! – Wir neu erleben!

Zumindest was mich betrifft, meine ich, in diesen Tagen etwas Wesentliches emotional verstanden zu haben. Ich möchte behaupten, ich habe etwas „verfühlt“. Das Wort „verstanden“ bezieht sich auf den Verstand. Mit dem Wort „verfühlt“ möchte ich darauf hinweisen, dass  während des Seminars, im Wesentlichen nicht mein Verstand angesprochen und angeregt wurde. Vielmehr wurde mein analytisches Denken eher ausgehebelt oder unterlaufen. Meine emotionale Welt, mein emotionales Sein, wurde angeregt und hat reagiert!

So durfte ich die emotionale Erfahrung machen, dass sich Menschen auf einer mir vorher unbekannten Ebene von Menschlichkeit begegnen und so zu einem außerordentlichen gemeinsamen Miteinander finden können. Dabei war das gemeinsame Miteinander von besonderer harmonischer Qualität, da sich alle in ihrem Sich-selbst-sein begegnen konnten. Da sich alle im Sich-Selbst-Sein begegnen konnten, fühlten sich alle wertvoll und angenommen. Zumindest habe ich dies so empfunden! Dies war für mich eine außerordentliche emotionale Erfahrung, die ich sehr wertvoll empfand.  

 Was ich mit der unbekannten Ebene von Menschlichkeit meine, können Sie im Artikel: Sich-selbst-sein in ungeahnter Menschlichkeit nachlesen.

Hier geht es zur GIP-1-Seminarinfo

An dieser Stelle sei auch auf mein Buch: „Drei Tage CoronaWIRus im Kopf“ hingewiesen