Veränderungen – Abkehr – Neugestaltung

Ich bin mir sicher, dass die Veränderungen, welche die Welt braucht, durch jede und jeden einzelnen Menschen unterstützt werden kann. Natürlich sollten Politik, Wirtschaft und die Menschen letztlich an einem Strang ziehen. Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte scheinen mir jedoch eines ganz deutlich zu zeigen: Politik und Wirtschaft brauchen für die notwendige Neugestaltung Menschen, die Impulse geben.

Wie können Menschen entsprechende Impulse setzen? Wie können Menschen Veränderungen in ihrem Leben vornehmen? Ich denke, zuerst müssen sie den Wunsch nach Abkehr von Gegebenem empfinden. Bei mir kam der Wunsch nach Veränderungen, nachdem ich in meinem Leben immer mehr Mangel empfand.

Irgendwann wurde mir klar, dass meine Mangelgefühle sich gar nicht an meinen wahren, natürlichen Bedürfnissen orientierten. „Ich wollte vielmehr die Bedürfnisse befriedigen, die mir von der Werbung, der Wirtschaft, meinem Umfeld – letztlich von der Gesellschaft – als Bedürfnisse aufgeschwatzt, ja vielleicht sogar in gewisser Weise aufgezwungen wurden. Ich habe entschieden, dies nicht mehr mit mir machen zu lassen!

Dabei hilft mir, nach meinen wahren Bedürfnissen zu fragen. Mich leiten die Fragen: Was tut mir gut? Was ist für mich wirklich wichtig? Was muss ich kaufen und was möchte ich gern kaufen? Was bin ich bereit, für das, was ich kaufen möchte, zu tun? Bin ich bereit, einen Kredit aufzunehmen? Bin ich bereit, mehr zu arbeiten, nur um mehr zu verdienen damit ich mir mehr kaufen kann?

Will ich wirklich ständig neue Klamotten kaufen, um für andere schick auszusehen? Nein! Ich will lieber bequeme Kleidung tragen, in der ich mich wohl fühle. Muss ich allen Modetrends hinterherlaufen? Nein: bequem und ökologisch, dies sind meine Kleidungskriterien. Das ist mein Stil. Wer seinen Stil gefunden hat, muss keine Trends mehr bedienen und braucht nicht ständig Neues zu kaufen.

Muss ich wirklich überall hinreisen? Nein! Ich hatte schon immer Bedenken, in andere Länder zu fahren und dort meine Zeit in irgendeinem Hotel mit Meerblick zu verbringen. Ich hätte es nicht ertragen, es mir im Hotel eines Landes gut gehen zu lassen, in dem die Mehrheit der Bevölkerung sich solchen Luxus nicht leisten kann oder gar in Armut nebenan wohnt.

Natürlich kann es reizvoll sein, fremde Länder kennen zu lernen. Bin ich bereit, hierfür meinen ökologischen Fußabdruck zu vergrößern? Nein! Inzwischen ist mir der Umweltschutz wichtiger. Ich brauche nicht in fremde Länder zu reisen. Ich fühle mich da, wo ich jetzt wohne, sehr wohl. Ich kann im Wald spazieren gehen und dies genießen – jeden Tag.

Muss ich mich irgendwelchen Menschen anbiedern, nur um Erfolg zu haben? Nein, ich brauche Menschen, die ich meine Familie oder meine Freunde nennen kann. Diese muss ich glücklicherweise nicht mehr suchen – sie sind bereits Teil meines Lebens. Auch dies kann ich genießen.

Muss ich repräsentablen und vorzeigbaren Wohnraum bewohnen? Nein, ich brauche keine riesige Wohnung. Klein und gemütlich ist mir lieber. Das macht auch viel weniger Arbeit. Auch dies habe ich und kann es genießen.

Nachdem ich meine durch Werbung und Konsumdruck aufgenötigten Bedürfnisse als solche erkannt und beiseitegestellt hatte, stellte ich erstaunt fest, dass die meisten meiner Bedürfnisse von Geld völlig unabhängig und in meinem Leben bereits befriedigt waren.

Meine Überzeugungen und Bedürfnisse werden immer mehr zur Richtschnur meines Handelns. Dies stärkt meinen Selbstwert. Ein sehr befriedigendes Gefühl. Gleichzeitig verändere ich damit auch die Welt – zwar nur ein kleines bisschen, aber immerhin. Ich konsumiere weniger und achte dabei auf den Umweltschutz. Ich nehme den Satz: „Alle Veränderung beginnt bei mir selbst“ ernst. Diesem Satz werde ich mit meinem Leben gerecht.“

Ab den Gänsefüßchen aus: Britta Kanacher „Lebensumstände – Eine ermutigende Lebensbetrachtung“ S. 169ff

Wenn die Seele implodiert

Sie ging mit freudiger Erwartung Richtung Busparkplatz. Das erste Mal seit Monaten fühlte sie sich nicht erfüllt von Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Sie nahm die Vorfreude und positive Aufregung der Kinder wahr und spürte, wie eigene Freude in ihr wuchs. Die Kinder wussten nicht, was auf dem Spiel stand. Sie waren einfach freudig erregt und das war auch gut so. „Wie schön das Leben sein kann, wenn man sich einfach freuen kann“, dachte sie kurz und ein Lächeln huschte über ihre Seele. Sie spürte, wie dieses Gefühl auch ein Lächeln in ihr Gesicht zauberte. Sie hoffte darauf, dies wieder dauerhaft erleben zu können.

Neben ihr lief ihr Mann. Wie so oft wirkte er innerlich eher abwesend, auch wenn er sich äußerlich aufgesetzt fröhlich gab. Er trug, genau wie sie, einen Rucksack von einem der Kinder und einen Schlafsack. Die Kinder sollten gleich mit einer Jugendgruppe vierzehn Tage in ein Jugendlager fahren. Das erste Mal, seit der Geburt der Kinder, würde das Paar eine kinderfreie Zeit erleben. Die letzten Jahre waren nicht immer einfach. Erst recht nicht die letzten Monate. Er hatte sich anderweitig verliebt. Er hatte diese Frau im Internet kennen gelernt und sie lebte leider weit weg in Mannheim. Nun suchte er einen Weg, seine neue Liebe zu leben.

Die Kinder konnten gar nicht erwarten, bis der Bus endlich losfuhr. Der Abschied fiel ihnen nicht schwer. Ihre Mutter verabschiedete sie auch gerne. Wusste sie doch, dass es den Kindern sehr gut gehen würde. Wie es mit ihr und ihrem Mann weitergehen würde, wusste sie hingegen nicht.

Seit sie von den vierzehn möglichen kinderlosen Tagen wusste, wuchsen aber ihre Erwartungen an diese Zeit. Es erwachte ein unendliches Gefühl der Hoffnung. Sie wünschte sich aus tiefem Herzen, dass diese Zeit die Chance sein würde, die sie als Paar brauchten. Sie erwartete ehrliche Aussprache, ein sich wieder näherkommen, vielleicht sogar Zweisamkeit, die sie wieder zusammenwachsen ließ. All ihre Enttäuschungen, all ihre Ängste und ihre Ohnmachtsgefühle konnten durch diese Emotionen gänzlich beiseitegeschoben werden. So war wieder Platz für liebevolle Gefühle. Sie war fest entschlossen, ihre Ehe, ihre Familie zu retten!

Schweigend ging das Paar zurück zum Haus. Sie wusste nicht, wie sie die hoffnungsvolle Zeit einläuten konnte, also schwieg sie lieber. Im Haus setzte sie sich im Wohnzimmer auf das Sofa. Er verschwand im Schlafzimmer. Es verging ein kurzer Moment, in welchem sie kurz rätselte, was er wohl gerade machte. Bevor sie jedoch näher darüber nachdenken konnte, stand er mit einer gepackten Tasche in der Wohnzimmertür. Er ließ die Tasche fallen und verkündete: „Ich fahre jetzt nach Mannheim!“

Die Worte schlugen wie ein zerstörerischer Torpedo in ihre Seele ein. Alle Hoffnung zerbarst, alle freudige Erwartung zerstob zu Staub, Enttäuschung legte sich wie eine Klammer um ihre Seele. Diesem Druck konnte sie nicht standhalten – sie implodierte. Bevor der überwältigende Schmerz wahrnehmbar wurde, wurde ihr Gehirn von einer ganzen Kaskade von Hormonen überflutet. Sie spürte gar nichts mehr, saß reglos da, starr vor Entsetzen, emotional abgestorben.

Er sah ihre Reglosigkeit und dachte nur: „Sie zeigt keine Reaktion! Also kann ich gehen.“ Bestärkt in seinem Vorhaben nahm er seine Tasche und ging.